1. Der Transformationsprozess: die Digitalisierung des Geschäfts beginnt jetzt!
Der Energiewirtschaft steht nach der Bildung des gesellschaftlichen Konsenses für den Umstieg auf erneuerbare Energien die nächste große Transformation bevor: Die Digitalisierung ist für die Energiewende der Schlüssel zur Beherrschung der Komplexität, die sich aus der immer stärkeren Volatilität und Dezentralisierung der Erzeugung ergibt. Versorgungsunternehmen müssen sich zu digitalen Energiedienstleistungsunternehmen wandeln, dabei wächst die Konkurrenz bisher branchenfremder Wettbewerber dramatisch. Hier finden sich nicht nur hochinnovative Startups sondern auch globale Player wie Google, die schon längst auf dem Weg sind.
Die Verschmelzung von neuem Energiemarkt und IKT (Informations- und Kommunikationstechnologien) ermöglicht die Entwicklung gänzlich neuer Geschäftsmodelle entlang der energiewirtschaftlichen Wertschöpfungskette und darüber hinaus. Die Beherrschung des „Internets der Dinge (IoT: Internet of Things)“ – häufig umschrieben mit Begriffen wie „Industry 4.0“, „Utility 4.0“, „Smart Cities and Infrastructures“ – sowie der damit verbundenen riesigen Datenmengen (Big Data) wird damit zu einem Schlüsselfaktor.
Angetrieben wird diese Entwicklung in der Energiewirtschaft zusätzlich dadurch, dass die Politik diesen Bereich durch eigene Gesetze fördert aber auch reglementiert und dies in einer wenig Investitionssicherheit gebenden Art und Weise.
Die digitale Transformation unserer Welt und insbesondere der „Energiewelt“ ist keine kurzweilige Episode der Geschichte, sondern ein dauerhafter Wechsel des gesellschaftlichen Betriebssystems. Der Transformationsprozess verläuft dabei für Unternehmen nicht linear. Komplexität, Volatilität und Unsicherheit sowie ständige Veränderung werden alltäglich. Altbewährte Geschäftsmodelle, Strategien, Organisationen und Prozesse funktionieren nicht mehr. Was ist zu tun?
2. Innovation tut not – aber nicht als Selbstzweck
Eine disruptive (Gegensatz zu sustaining) Technologie ist eine Innovation, die eine bestehende Technologie, ein bestehendes Produkt oder eine bestehende Dienstleistung möglicherweise vollständig verdrängt. Disruptive Innovationen sind meist am unteren Ende des Marktes und in neuen Märkten zu finden. Die neuen Märkte entstehen für die etablierten Anbieter in der Regel unerwartet und sind für diese, besonders auf Grund ihres zunächst kleinen Volumens oder Kundensegmentes, uninteressant. Technologien entwickeln sich oftmals zunächst schneller als das Marktbedürfnis. Sie können dann im Zeitverlauf aber ein starkes Wachstum aufweisen und vorhandene Märkte bzw. Produkte und Dienstleistungen komplett oder teilweise verdrängen.
Auf der Grundlage einer neuen Technologie oder eines neuartigen Geschäftsmodells werden also Produkte oder Dienstleistungen entwickelt, die zu Beginn nur einen kleineren Teil der Kunden anspricht. Disruptiv wird es, wenn das Angebot das Kapital bekommt und einen Markt so dominiert, dass etablierte Unternehmen und ihre Produkte verdrängt werden. Etablierte Firmen können so durch neu eintretende Unternehmen, die mit einer disruptiven Technologie in den Markt drängen, massiv in Gefahr geraten und im schlimmsten Fall ihren gesamten Kundenstamm und damit die Grundlage ihres Geschäfts verlieren.
Weil etablierte Unternehmen, sofern sie noch zu den Marktführern in ihrem Segment gehören, zu sehr auf die Bedürfnisse ihrer Stammkunden achten, fehlt ihnen der Blick für revolutionäre Neuerungen. Häufig überlassen sie dann das lukrative Geschäft Newcomern und Start-Up-Unternehmen (Innovations-Dilemma).
Nur Unternehmen, die sich heute aktiv und engagiert der digitalen Transformation widmen und den eigenen organisatorischen Wandel vorantreiben, werden langfristig belohnt. Konsumenten- und Serviceorientierung sowie digitale Experimentierbereitschaft sichern Wettbewerbsfähigkeit und Erfolg in den Märkten der Zukunft. Die disruptive Kraft der Digitalisierung beschert viele wertvolle Chancen für Unternehmen, die sich ihr mit dem Willen zur Veränderung stellen. Je früher sich Unternehmen mit Innovationen beschäftigen, desto eher profitieren sie. Und sie werden dann zu digitalen Jägern statt Gejagten.
Natürlich gilt auch: technikverliebter Selbstzweck führt nicht zum Erfolg. Ohne zusätzlichen Nutzen für die Kunden bietet eine technische Innovation keinen Kaufanreiz. Es reicht also nicht, beispielsweise Haushaltsgeräte mit WLAN auszustatten und zum An- und Ausschalten mit dem so schön betitelten „Smart Home“ zu vernetzen. Ein anderer damit verbundener Service, der wegen eines drohenden Defekts eine Inspektion der Maschine vorschlägt (predictive maintenance), böte dann schon eher einen echten Zusatznutzen.
3. Ständiger Wandel erfordert ständige Innovation erfordert andere Organisationen
Komplexität, hohe Volatilität, Unsicherheiten: Die klassische verstandene Institution Management mit ihrem ausufernden Berichts-, Planungs-, Abteilungs- und Zuständigkeitsunwesen und ihrer Illusion von Kontrolle und Steuerung wird nicht in der Lage sein, diese Situation zu beherrschen und den erforderlichen radikalen Umwandlungsprozess zu initiieren; sie ist mit ihren in der Regel eher innovationsfeindlichen Strukturen vielmehr ein Hemmschuh für die Weiterentwicklung und Wurzel von gegenwärtigen und zukünftigen Unternehmenskrisen.
Innovation benötigt ein Klima von Diversität, Konfliktfähigkeit und Diskurs sowie kreativer Entschlossenheit und Agilität. Dieses Klima muss authentisch im Unternehmen gelebt werden. Ein Klima für die erforderliche kontinuierliche innovative Problemlösungskompetenz eines Unternehmens kann aber nur entstehen, wenn die gesamte Unternehmenskultur auf diese ständige Veränderungsnotwendigkeit ausgerichtet ist. Geschäftsmodelle, Unternehmensleitbilder, Strategien, Organisation und Prozesse müssen radikal auf den Prüfstand, um diesen Veränderungsprozess im Unternehmen zu gestalten.
Es kommt also darauf an, nicht abzuwarten, bis andere das eigene Geschäftsmodell in Gefahr gebracht haben, sondern sich frühzeitig mit den neuen Möglichkeiten zu beschäftigen und die Zusammenhänge mit dem eigenen Kernprodukt herzustellen und damit zu experimentieren. Es geht darum, den Wandel durch den Einsatz neuer Technologien aktiv mitzugestalten, diese parallel zu den alten in neuen Geschäftsmodellen zu erproben und daraus Anforderungen an die eigene Organisation, deren Prozesse und Systeme sowie die Produkte und Services abzuleiten.
Zudem muss sich eine Organisation den veränderten Wertesystemen stellen und deren Prinzipien adaptieren:
- Interne und externe Kollaboration statt Silodenken und Abschottung
- Initiales Funktionieren statt Perfektion bis in letzte Details
- Risiko- statt „Cover my ass“-Kultur
- Offenheit in Kommunikation und Führung statt Informations-Hierarchie und Intransparenz
- Lernbereitschaft statt „Weiter so“
- Atmosphäre für Potenzialentfaltung statt Kreativitätsverkümmerung
- Vorgelebte Veränderungsbereitschaft der Top-Führungskräfte statt technikfeindlicher Skepsis
4. Entscheidend: Der Mensch macht das Geschäft
Bei allen Überlegungen der strategischen Art darf der entscheidende Faktor niemals vergessen werden: Der Mensch macht das Geschäft – und er macht es am Markt und nicht in irgendeiner Zentrale! Kreative, konfliktfähige und fachlich hoch qualifizierte Menschen werden in Zukunft zunehmend nur noch in Unternehmen arbeiten wollen, die eine entsprechende Unternehmenskultur bieten und leben. Wie wird es in Zukunft gelingen, das richtige Personal für diese Zukunftsaufgaben zu gewinnen, zu halten und zu entwickeln?
Aber auch die Anforderungen an die jetzigen Führungskräfte und MitarbeiterInnen steigen massiv an. Der ständige Wandel erfordert höhere Qualifikationen, ständiger Wandel verursacht Ängste und Belastungen, mit denen im Unternehmen umgegangen werden muss, der sich in zunehmenden Fehlzeiten, sogenanntem Burnout oder der inneren Kündigung vieler Mitarbeiter äußern kann. Führungsrollen und -konzepte müssen neu gedacht werden.
Die Situation in vielen Unternehmen ist aber derzeit so, dass die Menschen mit den für die gefragten Veränderungen notwendigen Qualifikationen bestenfalls im operativen Tagesgeschäft so gebunden sind, dass praktisch kein Spielraum besteht, die notwendigen Ressourcen für innovative Prozesse bereitzustellen. Anspruchsvolle Aufgabe im Transformationsprozess heißt dann im Prozess aber auch: die notwendigen Freiräume für alle im Unternehmen zu schaffen, aktiv teilnehmen zu können.
5. Externer Think Tank: Unternehmenscoach oder -berater
Konsultation im unternehmerischen Sinne bedeutet die Inanspruchnahme von internen oder externen Inhalts- oder Prozessspezialisten bei Entscheidungsfindungen oder der Durchführung von Transformations-Projekten (Unterstützung der inhaltlichen Seite oder des Prozesses bei der Ausgestaltung des Wandels: Beratung oder Coaching).
Wo unternehmensinterne Ressourcen (personell und/oder qualitativ) nicht ausreichen, können externe Ressourcen hinzugezogen werden, um die Kunden bestmöglich bei dem erforderlichen Wandel zu unterstützen. Unabhängig von der Frage Coach oder/und Berater sollte das oberste Ziel der externen Unterstützung sein, die Innovationskraft im Unternehmen von unten nach oben zu stärken und damit die innere Dynamik des Unternehmens zu entwickeln. Dies kann dann mittel- und langfristig auch den erforderlichen Kulturwandel nach sich ziehen, sofern der von der Unternehmensspitze auf der Basis eines positiven Menschenbildes gewollt ist und mitgetragen wird. Der Berater/Coach dient im einfachsten Falle der Unternehmensleitung als externer Spiegel, seine Rolle kann aber auch bis zum quasi Interimsmanagement beim Aufbau der erforderlichen Inhalte und Strukturen für die Bildung einer neuen Innovationskultur gehen.
Für weitere Diskussionen stehen wir Ihnen gerne unter kontakt@senerco.de zur Verfügung.
Dies ist ein Meinungsbeitrag von Dr.-Ing Klien, Klien-Konsultation, Senerco-Partner (Dezember 2021).